Da dachte ich, ich hätte meine Sammlung komplett - und kaum habe ich sie online
gestellt, stolpere ich über ein weiteres interessantes Konzept: Es heißt
digitalSTROM
(siehe auch Wikipedia).
Der eine oder die andere hat sicher bereits vom intelligenten Stromzähler,
auch Smart Meter genannt, gehört oder gelesen. Verschiedene Energieunternehmen
(z.B. EnBW und Yello) möchten diesen gern beim Kunden installieren - und
nicht nur Verbraucherschützer befürchten hier einen weiteren Schritt zum "Gläsernen
Bürger".
Was ist nun digitalSTROM?
Doch das ist es nicht, worum es an dieser Stelle gehen soll:
digitalSTROM ist ein System, bei dem innerhalb
der Wohnung kommuniziert wird. Da bleibt auch die Datenhoheit immer: beim Nutzer.
Er bestimmt, ob er Daten über das Internet zugänglich machen möchte und ob seine
Geräte auf Informationen von aussen reagieren sollen.
digitalSTROM Lüsterklemmen
Im Prinzip geht es hier um einen kleinen Chip, der entweder bereits im Gerät
integriert (Label: dSready), oder aber mit wenigen Handgriffen installiert
ist. Er lässt sich dabei z.B. in herkömmlichen Steckern integrieren. Oder man
nutzt eine vorbereitete Lüsterklemme: Gelb für Beleuchtung, Blau für Heizung,
Rot für das Alarmsystem, sowie einige weitere Farben soll es geben, bei denen der
Chip bereits im "Fuß" integriert ist. Möglich wird damit die Steuerung von Licht
(an/aus/dimmen), Heizung, Jalousien, Markisen, und mehr - auch per PDA oder übers
Internet.
Und was bietet digitalSTROM?
digitalSTROM Chip
Jeder dieser Chips besitzt dabei eine eigene Intelligenz, sodass mehrere Chips
auch (über das Stromnetz, ähnlich PowerLine) miteinander kommunizieren können.
Damit lässt sich z.B. ein zentraler "Alles-Aus" Schalter realisieren - oder auch
verschiedene Lichtstimmungen, und vieles mehr. Jeder Chip weiß auch, wieviel
Energie das von ihm kontrollierte Gerät verbraucht - und kann dies an eine auf
der Hutschiene montierte Zentrale melden:
Ein kleiner Einbau im Sicherungskasten und einige
farbige Klemmen in Wandschalter und elektrischen Geräten genügen. Kein Aufreißen
der Wände, kein Verlegen von neuen Kabeln ist notwendig. [...] digitalSTROM-fähige
Geräte können einfach in die bestehenden Steckdosen eingesteckt werden und sind
sofort ansteuerbar. [...] Die alten Geräte funktionieren wie bisher.
Laut Website
hat der Chip ein CE-Zertifikat erhalten, was schon Mal ein gutes Zeichen ist.
Unter anderem soll er sogar Energiesparlampen dimmen können, sowie den StandBy
Verbrauch angeschlossener Geräte auf unter 0.3W bzw. gar unter 0.1W senken
können - das macht wirklich Appetit!
Wer bietet Hardware an?
dSready Logo
Nicht zu Unrecht wird in vielen Diskussionen befürchtet: Wenn es nur einen
einzelnen Hardware-Hersteller gibt, besteht die Gefahr, dass bei dessen eventueller
"Pleite" das ganze System baden geht. Hauplieferant bei digitalSTROM ist
die Firma Aizo AG mit Sitz in
Wetzlar und Zürich. Aber auch andere der Allianz beigetretene Firmen halten
nicht unbedingt die Füße still, sofern man ihrer Werbetrommel glauben darf:
Hermes Softlab etwa
hat einen Bewegungsmelder in der Mache, und FEtronic plant gleich ganze Produktpalette, die
insbesondere Antriebe für Fenster (automatisches Lüften etc.), Türen und Jalousien
umfasst. Im Bereich Software ist letztgenannte Firma
übrigens ebenfalls unterwegs.
Weiterhin ist BS2 aktiv in Sachen
Heizung und Klima. Top-Produkt ist hier die Airbox, ein dezentrales Zuluftgerät, sowie das Heptapaneel, ein
multifunktionales Deckensystem (Abluftabsaugung, Integration von Heizungs- und
Lüftungskreislauf, Einbindung der Airbox). Die Integration in die Haus-Automation
erfolgt hier vermutlich u.a. über CO2-Sensoren.
mivune bietet neben Software auch Sensoren (Bewegungs- und
Rauchmelder, Temperatur- und Luftfeuchtigkeits-Sensoren), Taster, Komponenten
für den Schaltschrank, Tablet-PCs, Visualisierungs-Terminals, und mobile
Touchpads. Im Download-Bereich finden sich einige Trailer (Videos) zur
näheren Beschreibung.
Und last but not least zurück zum Cliché: Der Allianz-Partner Yello ist mit seinem "Intelligenten Zähler"
bereits als "Big Brother" benannt worden...
Kurzum: Es schaut nicht danach aus, dass man hier an einen einzigen Hersteller
gebunden ist. Allerdings sollte man ein Auge darauf behalten, wer hier welches
Patent hält.
Wie steht es um die Kosten?
Den Texten der derzeitigen Promotion-Aktionen nach, sollen die Kosten fast zu
vernachlässigen sein: Man erwartet keinen höheren Preis für Endgeräte, in denen
der Chip integriert wurde. Daraus könnte man schließen, dass eine Lüsterklemme
mit integriertem digitalSTROM Chip ebenfalls nicht mehr kostet, als eben eine
Lüsterklemme derzeit ohne selbigen. Ganz so wird es sicher nicht kommen, was
die Lüsterklemme betrifft - und auch das Modul für die Hutschiene gibt es bestimmt
nicht gratis. Doch wenn es sich hier nicht nur um vollmundige Versprechungen
handelt, dürfte es weitaus preiswerter als alle bislang verfügbaren Systeme
werden. Auf eine Bestätigung dieser Theorie müssen wir jedoch noch bis
zum Herbst warten.
Gibt es auch Software?
Und wie schaut es nun mit der Steuer-Software aus? Lassen sich Timer und Makros
nutzen? Lässt sich eigene Logik integrieren? Die Software dazu ist Open
Source, und Entwickler können sich einbringen. Die spezielle Einsprung-Adresse
im Web findet sich hier.
Es stehen Mailing-Listen zur Verfügung, wie auch ein Wiki und ein GIT Repository.
Auch ein Issue-Tracker ist mit von der Partie. Wie es also um verfügbare Software
bestellt sein wird, hängt nicht zuletzt von freiwilligen Entwicklern ab. Die
digitalSTROM.org Allianz scheint hier also keinesfalls "Steine in den Weg" zu
legen - sondern vielmehr eine offene Kommunikation zu begrüßen und zu unterstützen.
Klingt sehr gut - wir dürfen neugierig sein!
Darüber hinaus scheint sich schon einiges in den Startlöchern zu befinden:
Kastellan
Die Firma futureLab hat
mit Kastellan eine Software für Windows, Mac, und Linux in Arbeit. Als
weiterführende Information steht der Öffentlichkeit jedoch lediglich ein Flyer
zur Verfügung, der eher an ein kommerzielles Produkt denken lässt. Keine Information
zur Lizenz, keine Preise, nur ein buntes PDF - da vermutet man wohl nicht zu Unrecht,
das das nicht ganz billig werden wird...
FEtronic
FEtronic stellt nicht nur
Hardware für digitalSTROM zur Verfügung, sondern
arbeitet auch an einer Java-basierten Software - die natürlich ebenfalls auf allen
Plattformen laufen sollte, sofern Java dort verfügbar ist; explizit genannt sind
hier Windows, Linux, Solaris, und Mac. Neben digitalSTROM sollen hier
auch BUS-Systeme unterstützt werden. Auch hier sind wiederum keine genaueren
Information auffindbar.
IP-Symcon
Auch beim Platzhirsch IP-Symcon
tut sich hier was: Ein Forums-Thread berichtet davon, dass digitalSTROM unterstützt
werden soll - in einem anderen stellt ein Entwickler fest: "Wenn die Geräte im Handel
verfügbar sind, wird es selbstverständlich auch ein IP-Symcon Modul geben.".
Klingt schonmal nicht schlecht - für die Windows-Gemeinde...
mivune
mivune"bietet eine Plattform für
Gebäude-, Facility- und Performance-Management an. Kernstück der Software ist eine
leistungsfähige Datenbank, die in der Lage ist, sämtliche auf dem Markt verfügbaren
Steuerungssysteme zu integrieren. Dadurch bildet sie, ähnlich wie bei anderen
Betriebssystemen bekannt, eine Plattform, auf der beliebige Haustechnikanlagen und
Geräte mit handelsüblichen Bedienmodulen wie PC, PDA, Handy etc. kommunizieren können."
(Zitat von aizo.info). Dabei ist mivune ein eigenes Betriebssystem
mit allen zugehörigen Software-Komponenten - auf der anderen Seite heißt es, die Software
"basiert auf einer Java-Applet-Lösung. [...] Alles, was Sie deshalb benötigen, ist ein
javafähiger Browser.".
Nähere Informationen und ein Link zu einer Demo-Version finden sich unter
diesem Link.
dSTaster
dSTaster
steuert digitalSTROM Komponenten und Installationen ber WLAN. Hierzu wird eine
Verbindung zu dem digitalSTROM Server aufgebaut. Das Programm eignet sich zum
Steuern aller Standardgruppen (an/aus/dimmen/Szene wechseln) sowie zur
Energieverbrauchsanzeige, und verfügt darüber hinaus auch über einen Panik-Button.
dSTaster ist Freeware, und kompatibel mit iPhone and iPod touch. Es setzt
iPhone OS 3.0 oder höher, sowie einen iTunes Account voraus.
Weitere Informationen
Derzeit (Januar 2010) ist digitalSTROM noch nicht für den Endverbraucher
verfügbar: Ein Pilotprojekt soll ab April 2010 starten - zu diesem Zeipunkt sollen
auch erste Preisinformationen publiziert werden. Erste Produkte werden gegen
Ende 2010 erwartet.
Das BMWi (Bundes-Ministerium für Wirtschaft und Technologie) ist mit seinem
SerCHo-Projekt
(Service Centric Home) an der TU Berlin beteiligt (siehe auch dieses
PDF). Weitere Informationen zu SerCHo und digitalSTROM finden sich auch
in einem Artikel mit dem Thema Winziger Chip sorgt für intelligente Vernetzung, zu SerCHo
siehe auch hier.
Da es auf dem "freien Markt" noch keinerlei Produkte gibt, lassen sich hier
nur Mutmaßungen anstellen. Die verfügbaren technischen Informationen sind recht
vage - es bleibt abzuwarten, was die Erfahrungen in der Praxis zeigen. Nehmen
wir die verfügbaren Angaben für bare Münze, klingt es wunderbar: Der Elektriker
muss einmalig die entsprechenden Module in den Schaltkasten (Hutschiene)
installieren - alles andere kann man selbst erledigen. Wer sich nicht selbst
traut, holt den Fachmann ggf. nochmals für den Schalterwechsel. Die Steuersoftware
ist Open Source - und sofern das auch auf alle Protokoll-Informationen zutrifft,
sollte die "Daten-Hoheit" wirklich beim Anwender liegen (oder der "Schwindel"
würde recht schnell auffliegen). Das Versprechen des günstigen Preises ebenfalls
ernst genommen, könnte digitalSTROM die erste Wahl sein - die ggf. in
Ausnahmefällen noch um Funkmodule ergänzt werden kann/muss. Potential hat die
Technologie definitiv - hoffen wir, dass die bereits für Ende 2008 und Ende 2009
angekündigten Produkte nun Ende 2010 wirklich kommen, um den Beweis zu sehen.
Nachtrag: Nachdem auf der light + building nun (April 2010) die
ersten Preise bekannt wurden, ist auch diese Idee gestorben. Wurde zunächst
damit geworben, dass digitalSTROM günstiger und zuverlässiger sei als die
Funk-Systeme - stellt sich nun heraus, dass es zumindest wesentlich teurer ist:
Kosten von ca. 1.000 Euro für den ersten, und ca. 500 bis 800 Euro für jeden
weiteren Raum, sowie dreistellige Beträge für jedes Hutschienen-Element,
übertreffen alle Erwartungen.
Und wurde schon beim Preis gemogelt, wird auch alles weitere fragwürdig. Wie z.B.
die einfache Selbst-Installation: Sie scheitert nun daran, dass die dafür notwendigen
Elemente nicht durch den Endverbraucher erwerbbar sind - sondern nur vom
zertifizierten Fachmann. Damit nicht jemand einen Dimmer vor sein Radio schaltet,
ist hierfür die Begründung (siehe den Artikel bei Heise. Wir sind halt einfach zu doof dafür.